President Zeman: Die Rechnung für den Krieg mit Deutschland nicht mehr öffnen
16.08.2017 / 16:38 | Aktualizováno: 19.02.2018 / 11:58
Artikel in der Zeitung „Lidové noviny“: Zeman: Die Rechnung für den Krieg mit Deutschland nicht mehr öffnen
Von Tomáš Tománek
Lidové noviny, 14.08.2017
Inoffizielle Übersetzung
Der tschechische Präsident lehnt ab, dass sich Tschechien den Reparationsforderungen Polens anschließe
Es macht nichts, dass das Ende des Zweiten Weltkriegs schon mehr als 70 Jahre vorbei ist. „Wir bereiten uns auf den historischen Gegenangriff vor,“ befehligte vor kurzem der Chef der polnischen Regierungspartei PiS Jarosław Kaczyński zum Sturm auf Berlin. Seiner Meinung nach wird die polnische Regierung umfangreiche finanzielle Reparationen für die Zerstörung von Warschau von den deutschen Nachbarn beantragen.
Um in diesen Bemühungen nicht alleine zu bleiben, braucht der Bruder des verstorbenen polnischen Präsidenten Lech Kaczyński ausländische Alliierte zu finden. Aus der Visegrad-Gruppe, die in der EU eine Reihe von ähnlichen strategischen Interessen verfolgt, bietet sich die Tschechische Republik an. Hiesige Politiker lehnen jedoch die Pläne ihrer Nachbarn, die längst geheilten Kriegsnarben zu öffnen, ab.
Die Zeitung Lidové noviny hat zum diesen Thema den obersten politischen Vertreter – Präsident Miloš Zeman - angesprochen. „Das ist eine hypothetische Frage. Selbstverständlich würde ich mich zuerst mit den Argumenten der polnischen Seite bekannt machen. Andererseits ist es wichtig zu beachten, dass diese Angelegenheit in den tschechisch-deutschen Beziehungen kein Thema ist. Vor allem nach der Tschechisch-Deutschen Erklärung, an deren Jahrestag haben wir vor kurzem erinnert. Diese Erklärung schätze ich sehr hoch,“ antwortete er auf die Frage, ob er Kaczynskis Initiative unterstützen würde. Der Präsident ist sich des Ausmaßes von Schäden bewusst, die der Krieg Polen brachte. „Die Nazi-Besetzung von Polen war äußerst brutal und für das polnische Volk vernichtend,“ sagte Zeman. Überlegungen über Erhebung von Reparationsforderungen betrachtet er als eine rein interne polnische Angelegenheit, die zu kommentieren ihm nicht zusteht.
Die Vergangenheit gehört Historikern
Auf die Tschechisch-Deutsche Erklärung, die im Jahr 1997 von dem damaligen tschechischen Ministerpräsidenten Václav Klaus und dem Bundeskanzler Helmut Kohl unterzeichnet wurde, bezieht sich auch der Außenminister und ČSSD Spitzenkandidat Lubomír Zaorálek. „Die Erklärung hat diese Fragen eindeutig abgeschlossen und dank dieser Tatsache haben wir seit vielen Jahren so gute Beziehungen. Die Vergangenheit haben wir den Historikern überlassen und wir haben gesagt, dass wir uns der Zukunft widmen werden. Das hat sich reichlich gelohnt und es gibt gar keinen Grund daran etwas zu ändern,“ sagte der Chef der Diplomatie.
Einen Akzent auf die guten Beziehungen setzt auch der Chef der Oppositionspartei Starostové a nezávislí Petr Gazdík. “Wir sind 72 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Wie lange sollten wir diese Fragen noch öffnen?,“ fragt er nach.
Laut dem tschechischen Präsidenten hat sich soweit niemand aus der polnischen Regierung auf die Prager Burg offiziell gewandt. „Ich kann selbstverständlich über die Präsidentenebene reden, auf der ist jedoch zu keiner - weder offiziellen noch inoffiziellen - Anfrage gekommen. Es ist ein volles Recht Polens so vorzugehen. Es macht aber keinen Sinn, eine Debatte über das Thema zu führen, solange zu keinem offiziellen Kontakt gekommen ist,“ schloss Miloš Zeman.
Ob die Polen nach der Aufforderung des Vorsitzenden der Regierungspartei Rechts und Gerechtigkeit (PiS) Jarosław Kaczyński Kontakte mit anderen hochrangigen Politikern in Tschechien zu knüpfen versuchten, ist aus der Antwort der polnischen Botschaft in Prag nicht klar. Es ist aber offensichtlich, dass sich die Regierung des Nachbarlandes mit diesem Thema ernsthaft beschäftigt.
„Das Außenministerium der Polnischen Republik analysiert umfassend diese Problematik in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen Behörden.“ antwortete die Botschaft auf die Frage der Zeitung Lidové noviny.
Kaczyński hält in Polen zurzeit zwar keinen Verfassungsposten, der Leader der PiS wird jedoch als eine der politischen Schlüsselfiguren betrachtet. Mit seiner scharfen Rhetorik gegenüber der deutschen Schuld für die Kriegszerstörung von Warschau meldete er sich in der Zeit, wo Polen einige grundsätzliche Streitigkeiten mit der EU führt, in der Berlin ein wichtiger Spieler ist. Die Öffnung von Kriegswunden macht auf viele Experten einen Eindruck eines Bedeckungsmanövers, der die Streite der Partei mit dem Präsidenten Andrzej Duda und mit Brüssel wegen der Justizreform bedecken sollte. Die EU führt mit Warschau auch das Verfahren wegen des Boykotts der Migrationsquoten, kritisiert Warschau für politische Eingriffe in die freien Medien und droht mit Sanktionen wegen der weitergehenden Abholzung des wertvollen Urwaldes von Bialowieza.