
Der Kulturklub der Tschechen und Slowaken in Österreich stellt sich vor
27.06.2016 / 16:48 | Aktualizováno: 17.01.2022 / 13:49
Helena BASLER, die Vorsitzende des Kulturklubs der Tschechen und Slowaken in Österreich und Chefredakteurin der Zeitung des Kulturklubs, beantwortete die Fragen der Botschaft der Tschechischen Republik in Österreich.
Wie entstand die Idee einen Wiener Kulturklub zu gründen?
Im Jahr 1968, nach der Invasion der fünf verbündeten Länder in der Tschechoslowakei, verließen zehntausende Menschen aus unterschiedlichen Gründen ihr Vaterland. Für neue Ankömmlinge im Jahr 68, die sich zusammensetzten aus völlig unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung, war die Situation in der tschechischen Minderheit sehr unübersichtlich. Die tschechische Minderheit war seit dem Jahr 1948 geteilt in zwei Lager: eines, das das Regime in der Tschechoslowakei missbilligte und das kleinere Lager, das eine positive Haltung gegenüber den Entwicklungen in der ČSSR einnahm und zusammenarbeitete mit dem dortigen kommunistischen Regime.
Manche Ankömmlinge konnten nicht einmal in der neuen Umgebung ihre Aktivitäten bestreiten und „boten“ ihren Einfluss im tschechischen Minderheitenverein der sog. demokratischen Bewegung an. Meistens jedoch, waren diese Vereine nicht akzeptiert, mit der Ausnahme lediglich des Sokol Vereins.
Diejenigen, die sich nicht beschäftigten mit der politischen Orientierung des Minderheitenvereines, hatten die Möglichkeit sich beispielsweiße dem Amateurtheaterverein der „Vlastenecká Omladina“ anzuschließen.
Vor diesem Hintergrund blieb den Migranten nichts anderes übrig, als eigene Vereine zu gründen – den Tschechischen Katholischen Klub (1972), die Neue Heimat und den Kulturklub der Tschechen und Slowaken in Österreich (1974). Die langjährige Kassiererin und ehrenhaftes Mitglied Ludmila Líbalová erinnerte sich in einem Gespräch „Kulturklub feiert – 1999“: „Alles begann in einer Bar im 5. Bezirk. Dort traf sich anfänglich die Minderheitengruppe der „Achtundsechziger“, um sich zu unterhalten und sich gegenseitig über Erfahrungen im neuen Land zu informieren. Allmählich wuchsen wir und man spürte immer das starke Bedürfnis sich zu treffen, irgendwo, wo wir alleine sein konnten, sodass wir nicht nur reden konnten, aber auch amüsieren und uns weiterbilden. So wurde die Idee einen Verein zu gründen geboren. Wir wollten eine organisierte Gesellschaft unter dem Dach des Minderheitenrates sein und wandten uns daher schriftlich an ihn, bekamen jedoch keine Antwort. Also konstituierten wir eine Versammlung des Vereines, den wir Kulturklub der Tschechen und Slowaken in Österreich nannten am 30. Oktober 1974 im Kaffee Falstaff, an der Ecke der Währingerstraße.“
Was waren Schwierigkeiten, und umgekehrt wer hat Ihnen in Österreich am meisten geholfen?
Der Kulturklub bemühte sich von Anfang an um Kontakte zu den traditionellen Organisationen der tschechischen Minderheiten. Seine Ausrichtung und das Programm, das im Leben der Minderheit ein ungewohntes Novum darstellte, stießen auf Verständnislosigkeit und sehr begrenzte Hilfsbereitschaft.
Zu den Gründern, ehrenhaften Vorsitzenden, Mitgliedern und Anhängern gehörten und gehören beispielsweiße der Regisseur Vojtěch Jasný, Dirigent Prof. Martin Turnovský, Dirigent Rafael Kubelík, Leiter der Präsidentschaftskanzlei Havla Ivan Medek, Deisy Waldstein-Wartenberg, Schriftsteller Pavel Kohout, Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi, Minister Karl Schwarzenberg, Dr. Jiří Gruša, und seit 1989 spätere Botschafter und Botschafterinnen der ehemaligen Tschechoslowakei und insbesondere von dem erwähnten Dr. Jiří Gruša bekam der Klub große Unterstützung, wie auch in seiner weiteren Funktion als Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien, und viele andere.
Triebkraft des Klubs war der Sozialist und Journalist Dr. Přemysl Janýr, der angestellt war im Bundeskanzleramt des Kanzlers Dr. Bruno Kreisky (Přemysl Janýr war u. a. beauftragt mit der Betreuung der Charta-Signataren), gemeinsam mit Dr. Heinz Fischer und Bruno Aigner. Diese Position ermöglichte die Zusammenarbeit mit vielen demokratisch gesinnten Politikern der verschiedenen Lager, mit dem Botschafter und den Beamten der österreichischen Botschaft in Prag, mit den Ministern und Ministerinnen oder Beamten des Außenministeriums oder der Ministerien für Wissenschaft, Kultur und Schulwesen.
Der Klub bekam daher angemessene Unterstützung und Anerkennung.
Ich möchte nur eine Erinnerung anführen, aus der Zeit meiner Leitung des Klubs. Bei der pietätvollen Veranstaltung und Gelegenheit rund um den Jahrestag des 1. Präsidenten der Tschechoslowakei T. G. Masaryk, die an seiner Gedenktafel (initiiert vom Kulturklub) stattfand, die sich am Petersplatz in Wien befindet, wurde auch der damalige österreichische Präsident Dr. Rudolf Kirchschläger eingeladen. Wir ahnten nicht, dass er schon zu dieser Zeit sehr krank war, aber trotzdem unterschrieb er eigenhändig, einige Tage vor seinem Tod, den Brief mit seiner Entschuldigung über seine Abwesenheit bei der Veranstaltung.
Über diejenigen, die uns geholfen haben, gibt es eine lange Liste an Erzählungen aber über diejenigen, die dem Verein ein Bein gestellt haben, gibt es nur wenig.
Wie viele Mitglieder und Anhänger haben Sie?
Am Anfang vielleicht etwa hundert oder zweihundert Mitglieder, später stieg die Anzahl bis über tausend Mitglieder und mehrere hunderte Anhänger.
Ihre Zeitung bemühte sich, den Tschechen und Slowaken im Exil auch die Ereignisse in der Tschechoslowakei und der anderen Staaten des Eisernen Vorhangs näherzubringen?
Beim Durchblättern der Ausgaben, kann man feststellen, dass sich die Redaktion bedeutend den Ereignissen in der Tschechoslowakei widmete aber auch informierte über die tschechischen Exilanten in der Welt. Die Leitung des Klubs schickte regelmäßig Protestbriefe an die Botschaften in Wien und Prag und an entsprechende Stellen. Auch organisierte man ein Sommerlager für Kinder aus Familien, die vom Regime verfolgt wurden, sowie einige Sammlungen für Betroffene.
Beim Anlass des achtzigsten Geburtstag des Poeten und Schriftstellers Jaroslav Seifert, veranstaltete der Klub zu seiner Ehre eine Festmatinee (der Klub war mit Schriftstellern und Poeten in Kontakt) und gab für seine Mitglieder fünfhundert nummerierte Exemplare des Faksimile der Handschrift des Autors mit den Zeichnungen von František Bidlo heraus.
Wie war die Beziehung zur Botschaft der kommunistischen Tschechoslowakei? Hatten Sie die Befürchtung der Überwachung oder Verfolgung?
JA, hatten wir.
Die Beteiligung an Aktivitäten in irgendwelchen Vereinen der sog. demokratischen Bewegung, erhöhte die Gefahr der Aufmerksamkeit der Staatssicherheit gegenüber Verwandten der Flüchtlinge in der totalitären Tschechoslowakei. Die Achse der Spionagetätigkeiten war bekannt in Wien, dessen Zentrum die damalige Botschaft der ČSR war. Die Regel waren Telefondrohungen und Abhörmaßnahmen, das Aufbrechen der Postkästen verbunden mit dem Verlust des Inhaltes usw.
Wie bereits gesagt, die Leitung des Klubs sendete über diese berechtigten Befürchtungen regelmäßig Beschwerdebriefe an die Botschaften in Wien und Prag und an die entsprechenden Stellen und veranstaltete Demonstrationen vor den Botschaften. Funktionäre oder einige Mitglieder des Klubs wurden verfolgt (von der Ausfahrt zum Begräbnis eines Familienangehörigen konnte nur geträumt werden), aber auch in den Reihen des Klubs wurde denunziert. Es wäre nicht uninteressant, diese historische Zeit zu bearbeiten und zu untersuchen, und sofern diese Nachricht nicht geschreddert wurde, wird dies wahrscheinlich für uns eine schockierende Erkenntnis sein, wie viele Leute hier in Wien für die Staatssicherheit (StB) arbeiteten. Die Botschaft führte bestimmt auch irgendein Archiv. Diese Zeit ist noch nicht völlig erforscht.
Ich erinnere mich, an die in Wien verbreiteten Gerüchte über Pater Novotny, der angefeindet und denunziert wurde. Dies war natürlich genau verkehrt, er wurde selbst von der tschechischen Geheimpolizei verfolgt. Oder der Fall Pater Miller (den ich persönlich gut kenne und selbst lange die Wirklichkeit nicht glauben konnte), der nachweißlich für die Staatssicherheit gearbeitet hat.
An welche Ereignisse der Geschichte erinnern Sie sich am liebsten?
Leider erinnere ich mich am meisten an die sog. Schlammassel – die nervenaufreibend waren, aber schlussendlich doch gut ausgegangen sind.
Zum Beispiel fünf Minuten vor der Aufführung rief der Hauptdarsteller an, dass er sich in Wien verlaufen hatte.
… oder eine Stunde vor der Aufführung der Theatergruppe hatte der Bus eine Panne…
bei einer Veranstaltung des Klubs, die in der Botschaft stattfand, sollte ich mit der Rede beginnen und der Vorstellung der Veranstaltung des Abends, aber noch fünf Minuten vor Anfang war ich weit weg von der Botschaft, gefangen und umringt von endlosen Reihen anderer Autos, mit dem Bewusstsein, dass ich nicht rechtzeitig ankommen würde…
Die Moderatorin des Abends war wegen eines Autounfalles eine halbe Stunde verspätet…
Eine Kollegin, die den gesamten Sitzungsplan des Eintrittskartenverkaufes des Balles hatte, ist nicht gekommen …
aber auch an eine überraschende Masse an Menschen, ungefähr fünfhundert, bei der Eröffnung der Kunstausstellung mit dem Namen Integration und Emigration, wo tschechische und slowakische bildende Künstler in Österreich in einer Galerie im 1. Bezirk ausstellten, oder an den überfüllten Saal der Diplomatischen Akademie (Überschreitung der von der Polizei erlaubten Anzahl an Personen), oder den überfüllten Saal in den Räumlichkeiten des Sokol-Vereines X, – eine Erinnerungsveranstaltung an Dr. Holub, Präsentation im Wiener Parlament und Prager Senat.
Ich habe sehr viele gute Erinnerungen über die Jahre – zum Beispiel an die Diskussionen mit: Bruno Aigner, Karel Schwarzenberg, Pavel Kohout, Pavel Medek, Rudolf Kirschläger, Jiří Gruša, B. Coudenhove-Kalergi und viele, viele weitere und ich möchte nicht versäumen die Schauspieler, Musiker, Sänger, Wissenschaftler, Ausstellungen, Konzerte etc. zu nennen. Aber wie ich schon sagte, wenn ich zurücksehe, erinnere ich mich an die gelungenen Veranstaltungen, abgesehen von den „nervenaufreibenden“ Momenten.
Was wünschen Sie sich noch für das Leben der tschechischen Minderheit in Österreich in der Zukunft?
Ich kann nur für mich selbst antworten:
Dass sie sich gegenseitig in den anderen einfühlen können, befreit vom Misstrauen (Wir und Ihr), verschiedene Ansichten akzeptieren ohne diese zu verurteilen, und sich nicht selbst (Funktionäre) todernst nehmen. Damit sie sich bewusst sein können, dass der Unterschied nicht das ist, was kaputt macht, sondern integriert. Und dass sich schließlich in der Zukunft die tschechische Minderheit zu einem Ganzen verbindet „befreit von“ Individualität zum Zweck der sinnvollen Entwicklung des tschechischen Elementes in Wien und Österreich.
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