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„Es wird immer Vertreibungen geben“

 

Rozhovor s ministrem Schwarzenbergem v Prager Zeitung ze dne 1. 2. 2007 (v němčině).

Fürst Karl Schwarzenberg ist das umstrittenste Mitglied der neuen tschechischen Regierung. Als Emigrant und Adliger verkörpert er ein typisches Feindbild vieler Tschechen. Manche zweifeln deshalb - auch wegen seiner engen Bindung zu Österreich -, ob er überhaupt tschechische Interessen vertreten könne. Mit dem bekennenden Böhmen sprach Aureliusz Pedziwol über die schwierige mitteleuropäische Vergangenheit, die Beziehungen Tschechiens zu seinen Nachbarn und das Zentrum gegen Vertreibung in Berlin.

* Herr Schwarzenberg, was war es für ein Gefühl, als Sie als Kind die Heimat verlassen mussten?

Schwarzenberg: Für ein Kind ist das immer ein Schock. Es war eine Woche vor meinem elften Geburtstag, als wir weg mussten. Es war ein Trauma, und es brauchte lange Zeit, um es zu verarbeiten.

* Waren Sie Zeuge des Kriegsgeschehens, von Vertreibungen?

Schwarzenberg: Von Vertreibungen nicht, weil wir in einer Gegend lebten, wo es keine deutschen Siedlungen gab. Sie begannen ungefähr 50 Kilometer südwestlich von uns. Kriegsgeschehen ja. Wir hatten einen alliierten Fliegerangriff auf einen Treck bei uns im Dorf. Durch das Dorf zogen unendliche Flüchtlingstrecks, damals vor allem noch aus Schlesien. Im Mai 1945 ist eine Kolonne der deutschen Armee am Dorfeingang von den Amerikanern gestoppt worden. Sie wollten zu den Amerikanern, aber nach dem Abkommen zwischen Russen und Amerikanern durften sie nicht weiter. Der deutsche Kommandeur hat sich daraufhin mit seiner Freundin erschossen.

* Nach dem Krieg kam Ihre Emigration. Oder Vertreibung? Wie würden Sie es nennen?

Schwarzenberg: Emigration. Wir wurden nicht vertrieben. Es ist uns im letzten Moment gelungen, dass wir im Dezember 1948 raus kamen. Die Gefahr für die Eltern war schon gigantisch.

* Dann begann ein neues Leben in einem neuen Land…

Schwarzenberg: Neues Leben, neues Land, ja. Aber ich habe großes Glück gehabt, weil wir zu meiner Großmutter in Strobl am Wolfgangsee gegangen sind. Angesichts der Umstände damals war es ein Paradies. Zunächst habe ich mich anpassen müssen. Ordentlich Deutsch lernen, weil mein Deutsch damals äußerst schwach war. Es hat natürlich eine Zeit gedauert, bevor ich mich in die Dorfgemeinschaft halbwegs integriert habe.

* Wann waren Sie zum ersten Mal wieder in der Tschechoslowakei?

Schwarzenberg: Im Juli 1968. Es war die Zeit der größten Euphorie, die ich je in einem Land erlebt habe - mit der entsprechenden Enttäuschung später.

* Bei späteren Besuchen lernten Sie solche Leute wie Václav Havel kennen.

Schwarzenberg: Wie Václav Havel, wie Petr Uhl, wie Sascha Vondra und viele andere. Sie sind auch unter sich immer noch befreundet, auch wenn es heute zwischen ihnen große politische Gegensätze gibt.

* Dann kam die Wende von 1989. Waren Sie überrascht?

Schwarzenberg: Das kam plötzlich. Den Verfall des sowjetischen Systems hat man schon gesehen. Ich hatte gedacht, dass es länger dauern werde. Aber dann ist eine echte Implosion geschehen. Das war die Überraschung.

* Sie sind dann sehr hoch gelandet, auf der Prager Burg in der Präsidentenkanzlei. Sie wurden also sofort mit allen Problemen dieses Landes konfrontiert.

Schwarzenberg: Ich musste zunächst viel lernen. Ich war ja praktisch vierzig Jahre draußen. Natürlich habe ich ein paar Fehler gemacht und gewisse Probleme unterschätzt. Aber summa summarum ist es gelungen.

* Eines der Probleme waren die Beziehungen zu Deutschland. Sein erster Besuch führte Präsident Havel nach Deutschland.

Schwarzenberg: Das war eine weise Tat des Präsidenten, die schon die Richtung gezeigt hat. Zuvor hatte Václav Havel noch als Dissident an den Bundespräsidenten anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels geschrieben. Da ist von Anfang an die richtige Richtung eingeschlagen worden. Bei allen Schwierigkeiten, die angesichts der tragischen Vergangenheit begreiflich sind, ist es eigentlich sehr gut gelungen.

* Tragische Vergangenheit, das heißt die Vertreibung der Deutschen aus der…

Schwarzenberg: …vorher auch das Protektorat, die Heydrichiade, München und so weiter.

* Präsident Havel sagte einmal, dass das Billigen der Vertreibung der Sudetendeutschen indirekt auch das Billigen ethnischer Säuberungen in Bosnien bedeutet.

Schwarzenberg: Präsident Havel hat immer sehr klare Worte gefunden. Er war Zeit seines Lebens immer jemand, der für die Menschenrechte eingetreten ist. Auch wenn das in seiner Heimat nicht eben populär war.

* Damals schienen die deutsch-polnischen Beziehungen viel besser zu sein als die deutsch-tschechischen.

Schwarzenberg: Richtig. Am Anfang ging es zwischen Deutschen und Polen viel besser. Erstens: In Deutschland war das Bewusstsein der deutschen Schuld gegenüber Polen begreiflicherweise viel stärker. Zugestandenermaßen haben sich die Nazis in Polen noch viel ärger benommen als im Protektorat. Deswegen haben sich viele Leute damit beschäftigt und das Bewusstsein war da. Bezüglich des Protektorats oder überhaupt der Tschechoslowakei war dieses Verständnis zunächst einmal nicht gegeben. Zweitens: Da gab es gewisse Vorarbeiten, wie die Erklärungen der polnischen und der deutschen Bischöfe.

* Jetzt sieht es aber zwischen den Tschechen und Deutschen besser aus als zwischen Polen und Deutschen. Woran liegt das?

Schwarzenberg: Richtig, heute ist das Verhältnis besser. Ich glaube, im deutsch-polnischen Verhältnis sind einige Taktlosigkeiten und Fehler passiert, die nicht notwendig waren und die die Atmosphäre vergiftet haben. Dass es im polnischen Wahlkampf und auch später ziemlich nationalistische Töne gab, ist richtig. Aber ich bin überzeugt, dass sich diese Sachen mit der Zeit wieder beruhigen werden.

* Warum ist das Zentrum gegen die Vertreibungen in Tschechien kein Thema?

Schwarzenberg:Weil es in Berlin stehen soll und nicht in München, weil es der Bund der Vertriebenen macht und nicht die Sudetendeutsche Landsmannschaft. Man betrachtet dieses Problem eigentlich als eines der Vergangenheit.

* Erklärt das, warum die Emotionen in der Tschechischen Republik nicht mehr so hoch gehen, wie vor zehn Jahren?

Schwarzenberg: Wir dürfen nicht vergessen, dass in der Tschechischen Republik eine sehr, sehr lebhafte Diskussion im Gange ist, die man in Deutschland als Vergangenheitsbewältigung bezeichnet, was kein glücklicher Ausdruck ist, aber, immerhin, er hat sich eingebürgert. Die junge Generation setzt sich sehr ernst mit dem, was da passiert ist, auseinander. Und das wissen schließlich sehr viele Vertriebene. Ich verstehe völlig, dass man für die Opfer des eigenen Volkes und für die Vertriebenen, die Entsetzliches mitgemacht haben, ein Denkmal, eine Erinnerungsstätte schaffen soll. Die Frage ist, ob man es als eine Erinnerung und Gedenken derjenigen betrachten will, die eigentlich dafür bezahlt haben, was der Hitler und andere verursacht haben - oder als Untermauerung eines Anspruchsdenkens und seiner Expansion?

* Kann ein solches Zentrum eine Mahnung gegen Vertreibungen sein?

Schwarzenberg: Es wird immer Vertreibungen geben, weil Menschen unausstehlich sind und wenn sie den Nachbar rausschmeißen, berauben, umbringen können, dann tun sie es, wenn die Gelegenheit sich bietet. Das kann in jedem Volk passieren, das ist in sehr vielen Nationen vorher passiert. Schauen Sie sich die Vertreibung der Juden aus Spanien im 15. und 16. Jahrhundert oder die Vertreibungen auf dem Balkan im Laufe der letzten fünfzehn Jahre an. Solche Tragödien passieren immer wieder und wir müssen immer wachsam sein, damit wir dem entgegentreten. Keiner, keine Nation, nirgendwo, ist davor gefeit. Ich wäre sehr glücklich, wenn wir in Prag oder Reichenberg eine Gedenkstätte für die Vertriebenen hätten. Und selbstverständlich zum Beispiel auch in Breslau, wo man beiden Vertriebenengruppen gedenken würde - nämlich der Breslauer, die nach Westen vertrieben wurden, und der jetzigen Breslauer, die aus dem Osten dorthin vertrieben wurden. Das muss man als eine Sache sehen.

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